Istislah
Der Istislah (arab.استصلاح) ist eine der umstrittenen Quellen des Fiqh. Insbesondere die Malikitische Fiqh-Schule stützt sich im Rahmen des Idschtihads auf diese Quelle, man spricht auch vom Idtschihad al-Istislahy [1].
Inhaltsverzeichnis
Definition des Istislahs[Bearbeiten]
Wörtliche Bedeutung des Istislahs: Manche Gelehrten verwenden den Begriff als Synonyum zu den Masalih Mursala. In beiden Begriffen steckt die Wurzel s-l-h. Beim Begriff Istislah wurde die Vorsilbe I-s-t angefügt, die in der arabischen Sprache oft in der Bedeutung "um etwas nachsuchen, fordern" steht[A 1]. Istislah bedeutet daher wörtlich "das Fordern von Verbesserung und (Allgemein-)Wohl. "[2].
Der Istislah als Fachterminus:
Ibn Qudama schrieb: "Istislah ist das Beachten des Maslaha Mursala"[3], d.h. die Berücksichtigung des allgemeinen Interesses.
"Der Istislah galt als Rechtsgewinnungsmethode zur Schaffung von Rechtsnormen zwecks Schutzes von Allgemeininteressen, die weder durch die Normen der vorrangigen Rechtsquellen (den Quran, die Sunna, den Idschma', den Qiyas) anerkannt noch verworfen werden. Solche Interessen nannte man Maslaha mursala. Die Kehrseite dieses Prinzips bedeutet, dass der Istislah keine derogierende Kraft gegenüber den durch die vorrangigen Quellen abgeleiteten Normen besitzt."[4]
Gleichbedeutend mit Istislah ist der Begriff Istidlaal oder auch der Istidlaal Mursal[5]
Die Meinungen der Gelehrten zur Berücksichtigung der Masalih Mursala[Bearbeiten]
Man kann im Allgemeinen zwischen vier Meinungen unterscheiden:
1. Totale Ablehnung der Anwendung der Masalih Mursala. Diese Meinung vertreten Anhänger der Schia und der Thahiria.
2. Die unbegrenzte Anwendung des Maslaha Mursala. Dies wird von dem Imam Malik Ibn Anas berichtet. Diese Auffassung wird auch dem Imam Asch-Schafi'i in seiner früheren Fiqh-Schule zugeschrieben. Allerdings leugnen manche der Malikiten, wie z.B. der Gelehrte al-Qurtubi, dass Malik diese Auffassung vertreten hätte. Er sagte: "Asch-Schafi'i und die Mehrheit der Gefährten Abu Hanifas vertraten die Meinung, dass man sich nicht darauf (d.h. auf die Masalih Mursala) stützen dürfe und dies ist auch die Auffassung Maliks." Diese Aussage al-Qurubis ist als Verteidigung Maliks gegenüber Behauptungen anderer Gelehrter anzusehen, die sagten, dass diese Meinung sogar das Töten erlaube, wenn es dem Allgemeinwohl diene.
Andere Malikiten bestätigen, dass Malik für eine Anwendung ist, allerdings mit dem Hinweis darauf, dass auch Malik gewisse Bedingungen der Anwendung aufstellte, so z.B. dass sie nicht im Widerspruch zu Quran und Sunna steht.
"Auch nach den Vorstellungen des Begründers dieses Verfahrens, Malik Ibn Anas, durfte die Maslaha nicht im Widerspruch zu den göttlichen Intentionen stehen."[6]
Die Hanbaliten stimmen im Wesentlichen mit der Auffassung Maliks überein.
3.Anwendung unter der Bedingung, das das allgemeine Interesse einem Interesse ähneln, das die Scharia berücksichtigt. Dafür bedarf es keiner Bezugnahme auf eine bestimmten Regelung der Scharia, sondern die Bezugnahme auf allgemeine Rechtsregeln der Scharia ist ausreichend. Diese Auffassung wird Asch-Schafi'i und den meisten Gefährten Abu Hanifas zugeschrieben.
4.Der Gelehrte al-Ghazali wendet die Masalih Mursala ebenfalls nur unter bestimmten Voraussetzungen an. Die Interessen müssen notwendig (arab.: Daruriya), bestimmt (arab.: Qat´ia) und allgemein (arab.: Kullia) sein.
Zu nennen ist noch eine fünfte Meinung, die aber sichtlich aus dem Rahmen fällt und von allen anderen Fiqh-Schulen kritisiert wurde. Der Gelehrte Nadschmuddin at-Tuufi, der der Hanbalitischen Fiqh-Schule zuzurechnen ist, stimmte der Anwendung der Masalih Mursala ohne Beschränkung zu; d.h. die allgemeinen Interessen können im Einzelfall - seiner Meinung nach - sogar einem eindeutigen Text aus Quran und Sunna vorgehen [1].
Im Ergebnis wenden alle vier Fiqh-Schulen die Masalih Mursala an, wenn auch die Bedingungen unterschiedlich sind. Der Meinungsstreit dreht sich eher darum, ob der Istislah eine eigenständige Quelle des Fiqh darstellt oder ob die allgemeinen Interessen nur im Rahmen der vier übereinstimmend anerkannten Quellen des Fiqh (Quran, Sunna, Qiyas, Idschma') berücksichtigt werden. Nur die Malikitische Fiqh-Schule sieht den Istislah als eigenständige Quelle des Fiqh an. Daher findet man in Usul al-Fiqh-Büchern auch die Aussage, die Mehrheit der Gelehrten würden die Anwendung der Masalih Mursala ablehnen, was im Hinblick auf ihre Anerkennung als eigenständige Fiqh-Quelle zutreffend ist[1][5].
Grundsätze, die bei der Durchführung des Istislah zu beachten sind[Bearbeiten]
- Der allgemeine Nutzen kann unter die allgemeinen Ziele der islamischen Gesetzgebung (arab.: Maqasid asch-Scharia) eingestuft werden.
- Die Berücksichtigung des allgemeinen Nutzens verstößt nicht gegen den Quran, die Sunna oder einen gültigen Qiyas.
- Dem allgemeinen Nutzen darf kein allgemeiner Nutzen gegenüber stehen, der als gleich wichtig oder wichtiger eingestuft wird.
- Die Gelehrten stimmen darin überein, dass die Berücksichtigung des allgemeinen Nutzens nicht im Bereich der Ibadat, sondern nur im Bereich der Mu'amalat[A 2] angewendet werden darf[5].
Quellennachweise[Bearbeiten]
- ↑ 1,0 1,1 1,2 `Abbasy Dr., Nur Ad-Din (2008): Al-Idschtihad al-Istislahy, S. 180, Beirut
- ↑ Khallaf, Abdulwahhab (1982): Masadir at-Taschri´ al-Islami fima la nass fihi, Dar al-Qalam
- ↑ Raudatu al-Munaatir, Ibn Qudama, schamila
- ↑ El Baradie, Adel (1983): Gottes-Recht und Menschen-Recht; S. 69; Baden-Baden
- ↑ 5,0 5,1 5,2 Asch-Schaukany, Mohammed bin `Ali (2009): Irschad al Fuhul ila Tahqiq al-Haq min ´Ilm al-Usul, Damaskus-Beirut
- ↑ Khallaf, 'Abdulwahhab, Usul al-Fiqh, http://www.waqfeya.net