Usul-ul-Fiqh
Usul-ul-Fiqh ist die Grundlagenwissenschaft aller islamischen Wissenschaften.
Inhaltsverzeichnis
Definition
Das Wort setzt sich aus zwei Begriffen zusammen: 1. Usul 2. Fiqh
- Usul: ist die Mehrzahl von Asl: Wurzel, Fundament, Grundlage, Ursprung. Mit Usul wird in der islamischen Wissenschaft eine Grundlagenwissenschaft bezeichnet.
- Fiqh: linguistisch: Verstehen. Islamologisch: Die Kenntnis der islamischen Normen, die von den einzelnen (detallierten) Quellen des Islam abgeleitet werden und mit den Taten des Mukallaf zusammenhängen.
- Usul Al-Fiqh: die Grundlagen des Fiqh.
Islamologische Definition: Das Wissen um die islamischen Normen, die von den allgemeinen islamischen Beweisen abgeleitet werden, wie man diese anwendet, und wer sie anwenden kann.
Die Themen dieser Wissenschaft
Die Wissenschaft des Usul-ul-Fiqh beschäftigt sich u.a. mit den islamischen Normen und Quellen.
Die Normen werden allgemein in positive und negative Anweisungen unterteilt:
Eine positive Anordnung (Mach!) kann wiederum bindend oder nicht bindend sein.
Daher ist eine bindende positive Anweisung eine Pflicht, eine nicht bindende positive Anweisung eine Empfehlung.
Eine negative Anweisung (Mach nicht!) ist ebenfalls bindend oder nicht bindend.
Die bindende negative Anweisung ist das Verbot, die nicht bindende negative Anweisung ist das Unerwünschte.
Norm auf Arabisch: Wer dies tut, wird: wer dies unterlässt, wird:
Pflicht wadschib,fard belohnt bestraft Erwünscht mustahabb,mandub,sunna belohnt nicht bestraft Unerwünscht makruh nicht bestraft belohnt Verboten haram, mahthur bestraft belohnt Erlaubt mubah neutral neutral
Unter einer islamischen Norm oder auch Bestimmung (arab. hukm) versteht man eine Handlungsanweisung, die Allah an die für ihre Taten verantwortlichen Menschen (arab. Mukallaf) stellt.
In der hanafitischen Fiqh-Schule wird eine noch detailliertere Unterteilung vorgenommen:
Norm Bedeutung: Fard Pflicht (durch mutawatir belegt) Wadschib Pflicht (durch Ahad belegt) Mustahabb erwünscht Mubah erlaubt Makruh, karaha tanzihija Verpöntsein, welches nicht in die Nähe des Verbotenen rückt Makruh,karaha tahrimijja Verpöntsein, welches in die Nähe des Verbotenen rückt. Haram verboten
Die Rolle der Absicht bei den islamischen Normen
Bei einigen Normen spielt die Absicht eine wesentliche Rolle, bei manchen ist sie sogar ausschlaggebend:
Bei Verboten spielt die Absicht keine Rolle: Egal mit welcher Absicht ein Verbot begangen wurde ist die Handlung auf jeden Fall zu tadeln (außer es handelt sich um einen Notfall wie das Essen von Verendetem aus Angst vor dem Verhungern).
Bei der Pflicht spielt die Absicht insofern eine Rolle, als auch der Heuchler eine Pflichthandlungen einhalten kann, aber dafür nicht belohnt wird. Daher wird die Pflicht auch so definiert: "Wofür man belohnt wird, wenn man es aus Gehorsam gegenüber Allah tut und wofür man bestraft wird, wenn man es unterlässt." Beim Unterlassen der Pflicht wird die Absicht nicht erwähnt, da das Unterlassen der Pflicht unabhängig von der Absicht eine Sünde ist. Eine Ausnahme ist wiederum die Notsituation (Verpassen des Gebets, weil man ein Leben rettet).
Bei erwünschten und unerwünschten Handlungen verhält es sich ähnlich: Wer hier die Grenzen Allahs um Allahs Willen einhält, wird belohnt, wer sie aus anderen Gründen einhält, wird nicht belohnt (wie etwa jemand, der sich unabsichtlich an einem empfohlenen Tag von Dämmerungsbeginn bis Sonnenuntergang die Fastengebote einhält). Wer hier gegen die Empfehlung bzw. Warnung handelt, wird normalerweise nicht bestraft, außer er tut dies mit der Absicht, sich gegen Allah aufzulehnen oder aus Hass gegenüber der jeweiligen islamischen Regel.
Bei der neutralen Kategorie des Mubah entscheidet jedoch allein die Absicht über Belohnung und Bestrafung.
Die islamischen Quellen
- Islamischen Quellen, die von allen vier Fiqh-Schulen anerkannt sind:
Quran Sunna Idschma' Qiyas Istishab
- Islamische Quellen, die nicht bei alle vier Fiqh-Schulen anerkannt sind:
Istihsan Masalih Mursala Tradition Aussagen der Sahaba Schari'a voriger Religionen Berücksichtigung der Meinungsverschiedenheiten Istislah Konsens der Gelehrten Medinas.
Die Dilalat
Der Bereich Dilalat beschäftigt sich mit der Aussagekraft verschiedener Fomulierungen und wie man daraus Normen und Regeln ableiten kann:
Zum Beispiel der Imperativ: Der Imperativ deutet generell auf eine Pflicht hin, außer es gibt Anhaltspunkte dafür, dass es sich um eine Empfehlung handelt.
Beispiel: "Befreie einen Sklaven und faste!" Dies bedeutet, dass beides getan werden muss. Wenn es aber heißt: "Befreie einen Sklaven oder faste!" muss nur eines der beiden gemacht werden.
Wenn es heißt: "Befreie einen Sklaven und faste, wenn du willst" handelt es sich zwar um einen Befehl, dieser wird aber durch die Bedingung "wenn du willst" abgeschwächt (ist also erwünscht).
Schulen in Usul Al-Fiqh
Es gibt zwei große Schulen:
- Die Schafiiten (auch Mutakallimun oder Mehrheit genannt)
Die Normen und Regeln werden hierbei direkt von den islamischen Quellen abgeleitet. Als erster schrieb darüber der Imam Asch-Schafii, daher der Name: Schafiiten, wobei auch die Hanbaliten und Malikiten dazu gehören. Mutakallimun werden sie oft deshalbt genannt, weil die meisten Werke von Asch'ariten oder Mu'taziliten verfasst wurden.
- Die Fuqaha (Hanafiten)
Die Normen und Regeln werden von den Fatwas der hanafitischen Rechtsschule abgeleitet, basieren also auf dem Fiqh, daher der Name: Schule der Fuqaha.
Wichtige Werke
Ar-Risala (Asch-Schafi'i)
Die vier großen Werke:
- Al-Umad (Abduldschabbar Al-Mu'tazili)
- Al-Mu'tamad (Muhammad ibn Ali al-Basri)
- Al-Burhan (Al-Dschuwaini)
- Al-Mustasfa ([Abu Hamed Al-Ghazali)
Das letzte wichtige Werk: Al-Minhadsch (Al-Baidawi)
Alle Werke nach Al-Minhadsch berufen sich auf dieses oder andere frühere Werke, die Wissenschaft Usul Al-Fiqh gilt seit dem Buch Al-Minhadsch als abgeschlossen.
Al-Waraqat (Al-Dschuwaini) ist ein Werk für Fortgeschrittene, das sich hauptsächlich mit den Dilalat beschäftigt.
Entstehung der Wissenschaft
Der erste, der diese Wissenschaft gesondert behandelte und ein Buch darüber schrieb, war Muhammad Ibn Idris Asch-Schafi'i in seinem Buch "Ar-Risala". Er behandelte darin hauptsächlich das Kapitel der Dilalat. Bald darauf begannen die Hanafiten auch Werke über Usul Al-Fiqh zu schreiben, sie leiteten jedoch die Regeln von den Fatwas ihres Imams Abu Hanifa ab. Die Usul-Wissenschaft beruht bei ihnen also mehr auf Fatwas und der Anwendung als auf der allgemeinen Theorie der Beweisführung. Im 7. Jahrhundert n.H. wurde versucht, beide Methoden zu vereinen. Der damalige Fanatismus unter den Rechtsschulen führte jedoch dazu, dass diese vereinende Methode bald unterging.
Bedeutung dieser Wissenschaft
"man hurrima al-Usul, hurrima al-Wusul" Wem die Usul nicht vergönnt sind, dem wird es nicht vergönnt sein "anzukommen", also ein Gelehrter zu werden. Gelehrte aller Disziplinen müssen Usul Al-Fiqh lernen, da man in dieser Wissenschaft lernt, wie man aus Quran und Sunna Regeln und Urteile ableitet, und wie man die Ausdrücke in Quran und Sunna verstehen kann. Usul Al-Fiqh beschäftigt sich mit der Quranwissenschaft und der Hadith-Wissenschaft, da beide die Grundquellen des Islam sind und somit zum Quellenstudium - dem ersten großen Themenbereich der Usul - gehören. Fatwas darf nur geben, wer ein Gelehrter in Usul Al-Fiqh ist. Ein Richter und Fiqh-Gelehrter muss ebenfalls Usul-Alfiqh sehr gut kennen. Ein Hadith- bzw Qurangelehrter muss Usul Al-Fiqh kennen, um zu wissen, wie er den Quran bzw die Sunna versteht und wie er daraus Regeln ableiten kann.
Quellen
- Sabalek, Ahmad (2008): Al-Madchal ila dirasat al-Fiqh wa al-Usul. Dar ar-Rida, Kairo.
- Sabalek, Ahmad (2000): Scharh Al-Waraqat. Dar Ar-Rida, Kairo.
- Asch-Schafi'i, Muhammad (150 - 204 n.H.): Ar-Risala. Tahqiq: Ahmad Schakir, und: Tahqiq Rifat Fauzi.
- Al-Esnawi: Nihayat as-Saul. Dar Ibn Hazm, Kairo.