Qiyas: Unterschied zwischen den Versionen

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(Definition des Qiyas und Einleitung)
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Der Artikel beruht im Wesentlichen auf dem Buch:
 
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Samir Mourad, Said Toumi, Methodenlehre der Ermittlung islamischer Bestimmungen, Karlsruhe 2006, www.didi-info.de
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Version vom 24. Dezember 2009, 12:27 Uhr

Definition des Qiyas und Einleitung

Das Wort Qiyas (arab.القياس) leitet sich von dem arabischen Wort „qasa“ ab, dass mit " messen, abmessen oder auch vergleichen" übersetzt werden kann. Qiyas bedeutet daher Abmessen und Vergleichen.

In der Wissenschaft des Usul al-Fiqh wird der Qiyas überwiegend definiert als: " Übertragung einer Rechtsfolge von einer Wurzel (arab.Asl), d.h. von einem heiligen Text des Qurans oder der Sunna des Propheten, auf einen Zweig (arab.Far´), d.h. einen neuen, nicht im Text ausdrücklich genannten Fall, und zwar aufgrund des gemeinsamen Zwecks (arab. `Illa).[1]

Der Qiyas stellt einen Analogieschluss dar. Er ist nach dem Quran, der Sunna und dem Idschma´ die vierte Rechtsquelle und wird von allen vier Fiqh-Schulen anerkannt. Die Thahiriten, insbesondere Ibn Hazm lehnen den Qiyas ab.

Der Qiyas wird an vierter Stelle nach dem Idschma´ genannt, da er erst Anwendung findet, wenn der Sachverhalt noch nicht in den Texten des Qurans, der Sunna oder durch Idschma´ geregelt ist.

Der Qiyas besteht aus vier Grundelementen( arab. arkan, Pl. von rukn ):

  1. Die Wurzel(arab. al-asl): Der ursrpüngliche Sachverhalt, der in Quran oder Sunna geregelt ist.
  2. Der Zweig: Der noch ungeklärte Sachverhalt(arab. al-far') für den kein Offenbarungstext vorhanden ist und der durch Analogieschluss hergeleitet werden soll.
  3. Die rechtliche Bestimmung des ursprünglichen Sachverhalts(arab. hukm al-asl)oder auch die dort angeordnete Handlungsanweisung im Sinne eines Verbotes, Erlaubtseins, u.s.w.
  4. Der gemeinsame Zweck(arab. 'illa): Der Grund für die Bestimmung.

Beweise aus Quran und Sunna für die Zulässigkeit des Qiyas

Beweise aus dem Quran

1. „0 die ihr glaubt, gehorcht Allah und gehorcht dem Gesandten und den Befehlshabern (arab. uli al-amr) unter euch! Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor(arab. rudduhu) Allah und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Allah und den Jüngsten Tag glaubt...“(Sure An-Nisa´ - die Frauen, Vers59)[2]

D.h. die Muslime werden aufgefordert, eine Angelegenheit, über die sie uneinig sind - und in der sie weder bei Allah (d. h. im Quran), noch beim Gesandten (d. h. in der Sunna) noch bei ihren Gelehrten (d. h. Idschma') eine Regelung finden, diese vor Allah und den Gesandten zu bringen. Das Wort arabische"radd" (davon ist "rudduhu" abgeleitet) beinhaltet auch, dass ein Sachverhalt, für den es keine islamische Bestimmung in Quran oder Sunna gibt, auf einen anderen Sachverhalt mit gleichem Hintergrund, der in Quran oder Sunna geregelt ist, zurückgeführt wird.

2. „Er ist es, Der diejenigen von den Leuten der Schrift,die ungläubig sind, aus ihren Wohnstätten zur ersten Versammlung vertrieben hat. Ihr habt nicht geglaubt,dass sie fortziehen würden; und sie meinten, dass ihre Festungen sie vor Allah schützten. Da kam Allah über sie, von wo sie nicht (damit) rechneten, und jagte in ihre Herzen Schrecken, so dass sie ihre Häuser mit ihren (eigenen)Händen und den Händen der Gläubigen zerstörten. Darum zieht die Lehre daraus, o die ihr Einsicht besitzt."(Sure al-Haschr - die Versammlung,Vers2)

Das Argument für Qiyas ist hier die Aussage Allahs am Ende des Verses „Darum zieht eine Lehre daraus". Nachdem Allah berichtete, was dem jüdischen Stamm der Banu Nadir widerfuhr, fordert er die Muslime dazu auf, daraus eine Lehre für sich selber zu ziehen, d. h. dass ihnen das Gleiche widerfahren wird, wenn sie wie die Banu Nadir handeln. Qiyas ist nichts anderes, als dass man die Gesetze Allahs auf im Kern gleiches Handeln anwendet. Allah fordert durch seine Aussage die Muslime auf, den gemeinsamen Kern zu betrachten und daraus Rückschlüsse auf eigenes Verhalten zu ziehen.

3.An vielen anderen Stellen sind Hinweise darauf, dass sich das Verhalten Allahs, d. h. Seine Gesetze im Universum, nicht ändert. Z.B. die Aussage Allahs " Sag: Wieder lebendig macht sie Derjenige, Der sie das erste Mal hat entstehen lassen..."(Sure 36, Vers 79)

Allah antwortet hier denjenigen, die die Auferstehung leugnen, indem er ihnen einen Analogieschluss vor Augen führt: Er argumentiert, dass analog zu seiner Fähigkeit , die Geschöpfe zum ersten Mal auf der Erde zu erschaffen, er auch in der Lage ist, sie genauso noch einmal zu erschaffen.

4. In einer ganzen Anzahl von Quranversen ist neben der rechtlichen Bestimmung auch deren Grund erwähnt. Damit zeigt Allah, dass hinter den rechtlichen Bestimmungen die Herbeiführung von Vorteilen für die Menschen steht und dass diese Vorteile an erkennbare Ursachen für die betreffenden Bestimmungen geknüpft sind.

Beispielsweise wird Tayammum, d.h. die rituellen Reinigung mit Erde anstatt mit Wasser unter gewissen Umständen erlaubt, Allah der Erhabe sagt: "...Allah will euch keine Bedrängnis auferlegen, sondern Er will euch reinigen.."(Sure al-Ma´ida - der Tisch, Vers 6)

Beweise aus der Sunna des Propheten

Als Beispiel sei die Antwort des Propheten (Frieden und Segen auf ihm)genannt, die einer Frau gab, die ihn über das Fasten an Stelle ihrer verstorbenen Mutter , befragte. Er (Frieden und Segen auf ihm)sagte: " Sieht du nicht, dass wenn deine Mutter eine Schuld gehabt hätte und du sie an ihrer Stelle beglichen hättest, wäre sie dann nicht bezahlt?" Sie antwortete: "Ja". Worauf er sagte: "Faste also an Stelle deiner Mutter". (Hadith sahih bei Muslim)[3]

Beweise aus dem Verhalten der Sahaba

Sie wählten z.B. Abu Bakr zum Kalifen mit dem Argument, dass der Prophet (Frieden und Segen auf ihm) kurz vor seinem Tod,als er krank war, Abu Bakr zum Imam, der das Gebet führen sollte, bestimmt hatte. Sie stellten eine Analogie zwischen dem Imam zur Führung der Umma und dem Imam zur Führung des Gebetes auf.

Es ist auch überliefert, dass die Sahaba im Rahmen des Idschtihads vom Analogieschluss Gebrauch machten.

Logische und verstandesgemäße Argumente der Gelehrten

1. Allah hat jede islamische Bestimmung aufgrund eines beabsichtigten Vorteils (arab. maslaha) für die Menschen erlassen. Wenn nun ein Sachverhalt vorliegt,der nicht in Quran oder Sunna geregelt ist, dessen Kern – von dem man ausgeht, dass dies die Weisheit hinter der Bestimmung ist - aber gleich ist mit dem Kern eines Sachverhaltes, für den ein Text vorliegt, dann ist es nur gerecht, die Bestimmung des neuen Sachverhaltes an den bekannten anzugleichen.

2. Quran und Sunna haben einen begrenzten Umfang; die Sachverhalte, die den Menschen begegnen, nehmen aber an Zahl ständig zu, sind unbegrenzt. Somit kann eine begrenzte Anzahl von Bestimmungen auf eine unbegrenzte Anzahl von Sachverhalten nur dann angewandt werden, wenn man neue Sachverhalte auf alte, bekannte Sachverhalte durch Analogieschluss zurückführt.

3. Analogieschluss zu führen heißt, einen Fall mit einem anderen zu vergleichen. Gleiches gleich zu behandeln ist ein natürliches und gesundes Verhalten (arab. fitra) des Menschen.

Quellennachweise

Der Artikel beruht im Wesentlichen auf dem Buch: Samir Mourad, Said Toumi, Methodenlehre der Ermittlung islamischer Bestimmungen, Karlsruhe 2006, www.didi-info.de

  1. El Baradie,Adel; Gottes-Recht und Menschen-Recht; S. 69; Baden-Baden 1983
  2. Der edle Qur´an und die Übersetzung seiner Bedeutung in die dtsch. Sprache, Übersetzer: Frank Bubenheim u. Dr. Nadeem Elyas, Saudi-Arabien, 2002
  3. Dr. Sulaiman bin ´Abdullah, Muqaddima fi l-fiqh, 1997, Riyad S.A.