Malikitische Fiqh-Schule

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Die malikitische Fiqh-Schule (Rechtsschule) ist eine der vier bekannten Fiqh-Schulen (Rechtsschulen) der Ahl As-Sunna. Sie wird nach dem Imam Malik Ibn Anas benannt.

Entstehung

Diese Fiqh-Schule geht auf den Gelehrten Malik Ibn Anas zurück. Er schrieb das Buch Al-Muwatta, das so berühmt wurde, dass einige Herrscher alle Muslime an dieses Buch binden wollten, doch der Imam Malik lehnte dies ab, da sich die Traditionen unterscheiden und vielleicht an anderen Orten andere Hadithe bekannt waren, die ihm entgingen. Da viele Menschen nach Medina reisten und die Muwatta weite Verbreitung fand, verbreitete sich auch das Fiqh des Imam Malik. Der Imam Malik erlaubte seinen Schülern nicht mit Leuten anderer Meinung zu diskutieren, er respektierte die anderen Meinungen viel zu sehr, er war auch dagegen, dass man sich um seine Person scharte. Weiterhin half Abdurrahma ibn al-Qasim - der Schüler Maliks - diese Fiqh-Schule zu verbreiten, indem er viele Fatwas des Imams niederschrieb (in der sog. Mudawwana). Viele Schüler vertraten nach dem Ableben des Imams Malik andere Meinungen, weswegen es in dieser Fiqh-Schule sehr viele verschiedene Meinungen gibt. Durch die Verbreitung in Nordafrika und Andalusien und dem Zusammenkommen mit vielen Kulturen gab es sehr viele Fatwas, weswegen die malikitische Fiqh-Schule als die Richtung mit den meisten Werken und Fatwas gilt.

Werke

  • Die Muwatta des Imam Malik (wird gerade in Deutsche übersetzt)
  • Al-Mudawwana Al-Kubra (Abdurrahman ibn al-Qasim)

Das Standardwerk heute ist:

  • Muchtasar Chalil

Für dieses Werk gibt es zahlreiche Kommentare und Glossen, wie: Al-Iklil, Mawahib Al-Dschalil.

  • Ar-Risala, von Al-Qairuwani

Dies ist das Standardwerk in den meisten Maghrebländern. Auch hierzu gibt es zahlreiche Kommentare.

Grundlagen der Malikiten

Jede Fiqh-Schule unterscheidet sich in einigen Grundlagen, wie man mit Themen umgehen soll, die nicht eindeutig in Quran und Sunna erwähnt wurden. So hat auch die malikitische ihre Besonderheiten:

Ahl Al-Hadith

Die Malikiyya stützt sich vor allem auf Quran und Hadithe, doch wurde auch viel Idschtihad gemacht. Sie gehört zu Ahl Al-Hadith, weil sie sich von der hanefitischen Fiqh-Schule durch die große Menge an Überlieferungen unterscheidet. Der Imam Malik verließ Medina nur zum Hadsch, doch waren die meisten Nachfahren und Schüler der Sahaba in Medina, weswegen es dort die meisten Hadithe gab.

Konsens der Medinenser

Aus diesem Grund war der Imam Malik der Ansicht, dass Hadithe, die in Medina (von den Gelehrten) einstimmig zu seiner Zeit - also der Zeit der Tabi'un und deren Schüler - nicht praktiziert wurden, als aufgehoben galten.

Der Konsens der Medinenser galt für jene Zeit, als Medina die Hochbburg der Sunna war, deren meiste Einwohner Nachfahren der Sahaba waren und den Islam am besten kannten.

Diese Regel wurde jedoch von zahlreichen Gelehrten - wie etwa dem Imam As-Schafii - kritisiert.

Berücksichtigen der Meinungsverschiedenheiten

Eine Besonderheit der Malikiten ist das Prinzip, Meinungsverschiedenheiten zu respektieren und mit einzubauen. Diese Regeln existiert in anderen Schulen nicht und ist ein Beweis für die große Toleranz und Umsicht des Imam Malik, der diese Regel häufig anwendete.

Die Fatwa selbst wird nach den Prinzipien der malikitischen Schule erlassen, wenn der Fall (auf den sich die Fatwa bezieht) aber bereits eingetreten ist, werden die anderen Fiqh-Schulen berücksichtigt und es wird nach der leichtesten und besten Lösung unter Berücksichtigung aller Fiqh-Schulen gesucht.

Beispiel: Ein Ehepaar hat geheiratet, aber ohne Einverständnis des Vaters der Frau. Nach Abu Hanifa ist dies unter bestimmten Umständen eine gültige Ehe. Wenn also die Ehe bereits vollzogen wurde, so wird dies in der malikitischen Schule berücksichtigt, da es ja auch diese Meinung gibt, obwohl die Malikiten anderer Meinung sind. Aber eine vollzogenen Ehe kann nicht mehr rückgängig gemacht werden.

So werden viele Probleme - besonders im Familien- und Handelsrecht - gelöst.

Keine Festlegung von Dingen, die Allah offen ließ

Zu den eigentlichen Prinzipien des Imam Malik gehörte es, keine Maße oder Grenzen für Angelegenheiten festzulegen, die Allah nicht erwähnte. Beispiele:

  • Die Entfernung, ab der man von einer Reise spricht.
  • Die Grenze zwischen "viel" und "wenig" bei Wasser, unreinen Substanzen etc.

Zum Haram führende Mittel verbieten

Diese Regel - sadd adh-dhara'i' (سد الذرائع) wird in vielen Schulen angewandt. Ihr liegt folgende Regel aus Usul Al-Fiqh zu Grunde: Das Mittel wird wie der Zweck beurteilt. Wenn also eine Tat an sich nicht verboten ist, aber zu etwas Verbotenem führt, wird sie verboten. Die Bedingungen werden unter dem Thema Zum Haram Führendes verbieten näher erläutert.

Zum Halal Führendes erlauben

Diese Regel ist der Umkehrschluss der obigen und beruht auf dem selben Prinzip: Das Mittel wird wie der Zweck beurteilt. Was zum Guten führt (und an sich erlaubt ist), soll erleichtert werden.

Berücksichtigung der Tradition

Traditionen, die dem Islam nicht widersprechen, gelten als bindend, wenn es um Verträge geht. Als Beispiel: Im Ehevertrag wurde nicht explizit festgelegt, wer welche Einrichtungsgegenstände der Wohnung besorgt, doch ist es traditionell in manchen Ländern üblich, dass bestimmte Möbel und Haushaltsgeräte von der Seite des Mannes bzw der Frau besorgt werden. Diese Tradition widerspricht dem Islam nicht und ist somit im Zweifelsfall gültig (wenn man sich nicht anderweitig geeinigt hat).

Istihsan

Das Unterlassen des Qiyas in einem speziellen Fall zugunsten einer anderen islamischen Quelle, um Schaden vorzubeugen oder Schwierigkeiten abzuwenden.

Keine fiktiven Fragen

Malik verbot seinen Schülern, fiktive Fragen zu stellen, also Fälle zu erfinden, die gar nicht eingetroffen sind, um eine entsprechende Fatwa zu finden. Ein Schüler Maliks - Asad Ibn Furat - der von der Schule der Hanafiten beeinflusst war, stellte gelegentlich solche Fragen, weshalb ihn Malik rügte: "Ist so etwas denn geschehen?", als er es verneinte, antwortete Malik: "Dann lass es, bis es geschieht! Das ist eine Kette, deren Tochter wiederum eine Kette ist! Geh zu den Leuten im Irak, den Ahl ar-Ra'i!" Die Hanafitische Schule ist für viele Fatwas bekannt, die durch fiktive Fragen entstanden, wohingegen die malikitische Schule für praxisnahe Fatwas bekannt ist, da sich Maliks Schule stärker verbreitete als jede andere und daher viele Fragen aus dem Alltag der Muslime Andalusiens, Nordafrikas, der arabischen Halbinsel, des Iraks und anderer Regionen gestellt wurden. So wurde das Malikitische Fiqh reich an Fatwas.

Als Malik lebte, kamen die Gelehrten von überall nach Medina, um bei ihm zu lernen. Das lag daran, dass alle die Gelehrten aus Medina besonders respektierten. Es gab auch Versuche seitens der Abbasiden, die Schule Maliks zur Staatsdoktrin zu erheben. Doch Malik weigerte sich sehr, dies anzunehmen.

Verbreitung

Früher war die malikitische Fiqh-Schule im Großteil Saudi Arabiens, in Nordafrika und Andalusiens führend.

Heue ist sie hauptsächlich in Nordafrika, vor allem Mauretanien, Marokko, Algerien, Tunis und Lybien verbreitet, ihre Verbreitung in Ägypten ging zu Gunsten der schafiitischen Fiqh-Schule zurück.

In Saudi Arabien und den Golfstaaten wird zwar heute die hanbalitische Fiqh-Schule in den Moscheen unterrichtet, da diese Richtung im Nadschd, dem heutigen Zentrum Saudi Arabiens, verbreitet war. Doch ist bei Fatwas und im Richteramt nach wie vor die malikitsche Fiqh-Schule vorgeschrieben, ähnlich verhält es sich in den meisten Golfstaaten.

Quellen

  • Abu Zahra, Muhammad (1952): Malik (sein Leben, seine Zeit, seine Meinungen und sein Fiqh). Dar Alfikr, Kairo.
  • Sabalek, Ahmad (2008): Al-Madchal lidirasat al-Fiqh wa al-Usul. Dar Ar-Rida, Kairo.