Fatua

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Eine Fatua (Fatwa) ist ein islamisches Gutachten, das der Mufti ausstellt.

Definition

Linguistisch: Fatua (arab: فَتْوى، فَتَاوَى) bedeutet Antwort, Schlichtung, Urteil. Islamologisch: Die islamische Beurteilung eines Sachverhalts im Fiqh.

Demnach gilt die Fatua eines Nichtmuslims nicht, ebensowenig kann man in der Aqida - also den Iman-Grundlagen - eine Fatua erteilen. Ein Gelehrter kann eine Angelegenheit in der Aqida erklären, eine Tat, die mit der Aqida zusammenhängt, oder die Fehler einer Sekte aufdecken, aber Fatuas beschränken sich auf die Beurteilung von Taten bzw. der Absichten für eine Tat.

Wer darf Fatuas erteilen?

Fatuas darf nur ein Mufti erteilen. Ein Mufti ist ein Gelehrter im Bereich Usul Al-Fiqh und Fiqh, er muss also zum Idschtihad, zur Urteilsfindung auf Basis der islamischen Quellen, fähig sein.

Folgende Bedingungen muss ein Mufti erfüllen:

  • Tiefes Wissen über das klassische Arabisch, der Sprache des Qurans und der Sunna
  • Beherrschen der Wissenschaft Usul Al-Fiqh
  • Kenntnis der Belege des Sachverhalts
  • Frömmigkeit und Zuverlässigkeit
  • Kenntnis sämtlicher Hilfswissenschaften

Wer diese Bedingungen nicht erfüllt, darf keine Fatua erteilen. Man darf auch keinen Imam um eine Fatua bitten, die diese Eigenschaften nicht erfüllen. Wer kein Mufti ist, also nicht zum Idschtihad fähig ist, wird als Muqallid bezeichnet, folgt also den Fatuas seines Muftis.

Vorgehensweise, wenn es keinen Mufti gibt

Wenn es an einem Ort keinen Mufti gibt, so muss man nach dem nächsten Mufti suchen. Es ist auf keinen Fall erlaubt, den Wissendsten vor Ort zum Mufti zu erklären, wenn dieser die obigen Bedingungen nicht erfüllt. Wenn es keinen Mufti vor Ort gibt, so lastet auf allen Muslimen die Pflicht, den Islam zu studieren, bis es einen Mufti gibt, denn das Erteilen von Fatuas ist eine Kollektivpflicht: Wenn es vor Ort Personen gibt, die die Pflicht erfüllen, entfällt sie für die Übrigen, ansonsten sind alle verpflichtet, dieser Pflicht nachzukommen.

Vorgehensweise beim Erteilen einer Fatua

Fatuas werden nicht aus einer Laune heraus erlassen, da es im Islam keine letzte menschliche Instanz gibt, die völlig frei Regeln bestimmen kann. Eine Fatua muss immer mit islamischen Quellen belegbar sein, ansonsten muss man sie nicht befolgen.

Man unterscheidet zwischen zwei Fällen:

  1. Eine Fatua für eine Angelegenheit, für die es Belege gibt
  2. Ein neues Problem, das in den Quellen nicht erwähnt wird

Im ersten Fall geht man folgendermaßen vor:

  • Sammeln der Belege
  • Untersuchung der Belege
  • Abwägen der unterschiedlichen Meinungen nach den Belegen
  • Urteilsfindung auf Basis der stärksen Belege

Im Zweiten Fall geht man folgendermaßen vor:

  • Falluntersuchung: Das Problem wird untersucht, sämtliche Eigenschaften werden gesammelt
  • Es wird nach vergleichbaren Eigenschaften von Fällen, die einer islamischen Norm unterliegen, gesucht.
  • Es wird geprüft, inwieweit das zu beurteilende Problem mit einem bereits vorhandenen Fall vergleichbar ist. Hierzu wird untersucht:
    • ob die Eigenschaften charakteristisch und wesentlich für das Urteil sind
    • inwieweit diese Eigenschaften tatsächlich auf den bereits vorhandenen Fall zutreffen

In beiden Fällen stützt man sich auf Belege, entweder auf Belege des Fiqh, also den direkten Belegs, oder Belege aus Usul Al-Fiqh, also den allgemeinen islamischen Regeln, die aus den einzelnen Quellen abgeleitet wurden.

Quellen

  • Al-Esnawi (772): Nihayat as-Saul. Dar Ibn Hazm, Beirut, Bd. 2, S.1073.
  • Sabalek, Ahmad (2008): Al-Madchal ila dirasat Usul al-Fiqh.