Erbrecht

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"Den Männern steht ein Anteil an dem zu, was die Eltern und die nächsten Verwandten hinterlassen. Und den Frauen steht ein Anteil an dem zu, was die Eltern und die nächsten Verwandten hinterlassen, sei es wenig oder viel - ­ein festgesetzter Anteil." (Quran, 4:7)
"Und wenn bei der Aufteilung andere Verwandte oder Waisen und Bedürf­tige anwesend sind, dann beschenkt sie daraus und sprecht zu ihnen auf geziemende Weise." (Quran, 4:8)


"Allah schreibt euch hinsichtlich eurer Kinder vor: Der männliche (Erbe) soll so viel wie den Anteil von zwei weibli­chen (Erben) erhalten[1]. Und wenn es sich um weibliche (Erben) handelt, zwei oder mehr, dann sollen sie zwei Drittel der Hinterlassenschaft erhalten. Und wenn es nur eine Erbin gibt, dann gehört ihr eine Hälfte[2]. Und für die Eltern ist je ein Sechstel des Erbes (bestimmt), wenn der Verstorbene Nachkommen hat. Und wenn er keine Nachkommen hat und die Eltern sind die (einzigen) Erben, dann ist für die Mutter ein Drittel. Und wenn er Geschwister hat, dann ist für die Mutter ein Sechstel (festgesetzt) nach Abzug (aller) Vermächtnisse oder Schulden[3]. Eure Eltern und eure Kinder - ihr wisst nicht, welche von ihnen euch an Nutzen am nächsten sind. Dies ist eine Vorschrift von Allah. Und Wahrlich, Allah ist allwissend, allweise[4]." (Quran, 4:11)


Tafsir (Interpretationen) zum Vers 4:11:[1]

1.) [1] Im Qur’an werden die Grundsätze des Erbgesetzes in groben Zügen dargelegt. Die genauen Details wurden aufgrund der Praxis des Propheten, Allahs Frieden und Segen auf ihm, und seiner Gefährten ausgearbeitet sowie durch Interpretation und Analogie. Muslimische Juristen haben auf diesem Gebiet sehr viel Stoff gesammelt, und dieses Teilgebiet des Gesetzes genügt als Objekt lebenslanger Studien. Wir werden uns hier nur mit den allgemeinen Prinzipien befassen, die aus dem Text zu ersehen sind. 1) Testamen­tarisch kann nur über ein Drittel des Eigentums verfügt werden; die übrigen zwei Drittel sind, wie festgelegt, unter die Erben zu verteilen. 2)Die Verteilung findet statt, nachdem Legate und Schulden (auch Beerdigungskosten) bezahlt worden sind. 3) Legate zugunsten eines in der Aufzählung erwähnten Erbberechtigten können nicht gemacht werden; das würde zu einer Konfusion des ganzen Systems und Bevorzugung eines Erben vor den anderen führen. 4)Im allgemeinen - aber nicht immer - bekommt ein männlicher Erbe einen doppelt so großen Anteil wie ein weiblicher der gleichen Kategorie. (Yusuf`Ali)

2.) Hierbei handelt es sich nicht um eine Bevorzugung des einen Geschlechtes vor dem anderen, sondern es geht darum, Gleichheit und Gerechtigkeit bei der Belastung der Männer und der Belastung der Frauen bei der Familienbildung und der Schaffung einer islamischen Gesellschaftsstruktur herzustellen. Denn wenn ein Mann eine Frau heiratet, muss er unter allen Umständen für ihren Lebensunterhalt und ihrer Kinder aufkommen, egal ob sie mit ihm zusammen - oder getrennt lebt. Sie aber hat entweder allein für sich zu sorgen, oder dies wird von einem Mann, vor oder nach der Heirat, übernommen, während sie davon befreit ist, für den Mann und die Kinder zu sorgen. Die Belastung des Mannes ist demnach doppelt so groß wie die der Frau. Gerechtigkeit und Ausgewogenheit zwischen Verlust und Profit sind aus dieser weisen Verteilung ersichtlich. (Qutb)

3.) [2] Auf den ersten Blick scheinen die arabische Worte zu bedeuten: "wenn mehr als zwei Töchter (vorhanden sind)". Die Alternative im nächsten Teilsatz heißt jedoch "wenn nur eine Tochter (vorhanden ist)." Logischerweise muss der erste Teilsatz demnach übersetzt werden: "wenn Töchter (vorhanden sind), zwei oder mehr..." Dies ist die allgemeine Interpretation, die in Vers 176 am Ende dieser Sure ergänzt und bestätigt wird. (Yusuf`Ali)

4.) [3] Hierzu zählen auch Beerdigungskosten. Ein Abzug von diesen Kosten sowie Legaten und Schulden muss in jedem Fall der Erbteilung vorausgehen. (Daryabadi)

5.) Es gibt verschiedene Gründe dafür, dass im Qur’an Legate vor den Schulden genannt werden. Hier sollen einige aufgezählt werden. Legate werden zugunsten der Armen und Bedürftigen aus eigenem Antrieb gemacht, um damit die Liebe zu Allah zu beweisen, während Schulden bezahlt werden müssen, wozu nach dem Tod eines Menschen seine Erben gezwungen werden können; von daher der Vorzug von Legaten gegenüber Schulden. Außerdem ist ein Legat eine Anweisung zur Zahlung an würdige Personen ohne den Gedanken, selbst einen Nutzen davon zu haben, während es sich bei Schulden um die Rückzahlung von Geldern handelt, von denen man bereits Nutzen hatte, weswegen der Schuldner verpflichtet ist, die Schulden zu bezahlen. Ein Testament zu machen bedeutet ein größeres Opfer für den Testator als die Zahlung von Schulden (Imam Saukani: Fath-ul-Qadir, Bd. I). (Siddiqi)

6.) Die Legate werden gemacht, um in manchen Fällen Abhilfe zu schaffen, in denen Angehörige vom Erbe ausgeschlossen sind, weil andere vorrangig sind. Diese könnten bedürftig sein, oder es könnte im Interesse der Familie liegen, den Zusammen­halt zwischen ihnen und den Erben zu stärken, und jeden Grund zur Eifersucht, Neid oder Streit auszuschließen. Für die Erben selbst gibt es keine Legate. Darüber hinaus dürfen solche Legate nicht das dafür vorgesehene Drittel der Erbschaft überschreiten, um zu garantieren, dass der Erblasser den Erben keinen Schaden zufügt. (Qutb)

7.) [4] Es gibt Leute, deren elterliche Gefühle sie dazu bewegen, die Kinder vor den Eltern zu bevorzugen, da die angeborene Neigung gegenüber den Kindern größer ist. Und es gibt welche die gegen diese Neigung mit dem Gefühl der moralischen Verpflichtung angehen wollen um darum umgekehrt die Eltern bevorzugen. Wieder andere werden ständig zwischen Neigung und moralischer Verpflichtung hin und her gerissen. So wollte Allah, dass Ruhe und Zufriedenheit in die Herzen einkehrt durch die Ergebung in Seinen Willen und Seine Bestimmung und durch das Gefühl, dass das Wissen allein bei Allah liegt, während sie nicht wissen können, wer von ihren Verwandten oder welche Aufteilung eher zu ihrem Nutzen ist. (Qutb)


Quellen:[Bearbeiten]

  1. Die Bedeutung des Koran - Band 1, SKD Bavaria Verlag & Handel GmbH, 1998, ISBN:3-926575-40-9